Wie alles begann...

Im November des Vorjahres hatte ich Frau Aniko Balasz eingeladen, ihr Buch „Reise zwischen den Welten“ in meinem Geschäft zu präsentieren. Ihre Geschichten hatten uns nach Südmarokko in die Wüste geführt und uns eine faszinierende Welt voller spannender Erlebnisse und Inspirationen eröffnet.

An diesem Abend sind in mir alte Erinnerungen und zugleich eine tiefe Sehnsucht wach geworden: Schon vor vielen Jahren hatte ich das erste mal Kontakt mit der Wüste. Damals war ich bei einer fünftägigen Trekkingtour mit Kamelen unterwegs. Diese faszinierenden Eindrücke habe ich nie vergessen.

Nach der Lesung und den Gesprächen mit Aniko überlegte ich, wie ich es wohl anstellen könnte, wieder in die Wüste zu kommen. Zwar hatten mich viele Reisen in den letzten Jahren nach Marokko geführt, aber da ich zumeist in den Sommermonaten gereist war, hatte ich die Atlantikküste und Marrakesch bevorzugt – den heißen Süden Marokkos hatte ich nur kurz gestreift.

Offenbar dem Gesetz der Anziehung folgend ergab sich kurz nach dem Abend mit Aniko etwas, das mir in der Art vorher noch nie passiert war. Ich erhielt eine SMS auf meinem Handy mit den Worten „Hallo aus der Wüste“.

Zuerst ignorierte ich diese Nachricht – man hört ja so einiges. Aber beim dritten Mal schrieb ich mutig zurück „Hallo aus Wien“. Daraus entstand ein Kontakt zu Mohamed, der mich nach kurzem Hin-und Herschreiben tatsächlich in sein Wüstenhotel Chez le Pacha in Zagora am Rande der Wüste einlud.

Sofort überlegte ich, was diese Einladung wohl bedeuten konnte. Ich kannte den Mann nicht und er lädt mich einfach so zu sich ein? Ich lehnte erst einmal ab, zumal ich gar keine Zeit zum Reisen zur Verfügung hatte. Ich war im Stress mit meinem Job in der Schule, dem alljährlichen Weihnachtsmarkt im Türkenschanzpark und dem Aufbau meines Geschäftes.

Trotzdem ließ mich der Gedanke, mitten im Winter der Kälte und Dunkelheit zu entfliehen und ein paar erholsame Tage in der Sonne zu genießen, nicht los. Spontan wie meistens und einer inneren Eingebung folgend, buchte ich einen Flug nach Marokko für die nahenden Semesterferien.

 

 

Blind Date in Marrakesch

Da sitze ich nun, am Flughafen von Marrakesch Menara und weit und breit ist niemand mit einem Schild zu sehen, auf dem mein Name geschrieben steht. In Gedanken versuche ich mir einen Plan B vorzubereiten. Was wenn er nicht auftaucht? Oder ich ihn nicht erkenne?

Bevor ich mich festlege ,wie es weitergehen soll, gehe ich vorerst hinaus aus der Ankunftshalle und lasse noch ein bisschen Zeit verstreichen, bevor ich endgültig eine Entscheidung treffe.

Die herumstehenden Taxifahrer haben mich, eine alleinreisende Frau, schon ins Auge gefasst. Ständig werde ich gefragt, ob ich nicht ein Taxi nach Marrakesch brauche. Sie laueren wie die Geier um mich herum und ich versuche, meine Unsicherheit hinter einem freundlichen Lächeln zu verbergen. „Nein danke, shoukran, ich werde abgeholt!“, murmle ich immer wieder.

Da fällt mir plötzlich ein, dass mir Mohamed kurz vor der Abreise eine Handynummer geschickt hat – für alle Fälle. Ich krame in meinem Rucksack – um gleich darauf mit leichter Panik festzustellen, dass der Akku meines Handys schon knapp am Limit ist. Hätte ich während des Fluges doch nicht die ganze Zeit Musik gehört! Gerade als ich die Nummer im Handy und hoffe, dass es nicht gleich den Geist aufgibt, sehe ich aus dem Augenwinkel unmittelbar neben mir jemanden stehen, der ebenfalls mit seinem Handy hantiert. Wie aus der Pistole geschossen spreche ich ihn an. Und JAAA, er ist es! Ich hätte ihn nie erkannt – so ganz ohne Turban und Jelaba, dem traditionellen marokkanischen Gewand der Männer. Westlich gekleidet, in Hose und Shirt, sieht der Mann ganz anders als auf den Fotos aus, die er mir geschickt hatte. Na gut, ich gebe zu, ich hätte ihn wahrscheinlich auch mit Turban nicht erkannt!

Frühling im Atlasgebirge

 

Nun geht die Reise wirklich los!

Über die Rue National fahren wir in Mohameds Auto hinaus aus Marrakesch in Richtung Atlasgebirge. Schnell haben wir die Stadt mit dem Wahnsinnsverkehr hinter uns gelassen. Jetzt erst nehme ich wahr, wie warm es ist – und dass ich immer noch meine Winterjacke anhabe. Mohamed stoppt im nächsten Ort bei einem Obststand und kommt mit einem großen Sack Orangen, Äpfeln und Bananen zurück. „ Für dich“, sagt er und drückt mir das duftende Obst in die Hand.

Die nächste halbe Stunde bin ich mit Orangen schälen und Obst essen beschäftigt. Wir unterhalten uns – die Zeit vergeht wie im Flug. Wie sehr ich diese Landschaft liebe. Überall blühen schon die Bäume und Sträucher. Die Wiesen sind in dieser Jahreszeit grün und in der Abendsonne leuchten die roten Felsen links und rechts der Straße. Die Berggipfel in der Ferne sind jedoch noch Schnee bedeckt und bildeten einen faszinierenden Kontrast.

Bei den Frauen in der Küche

Nach zwei Stunden Fahrt machen wir halt. Wir sind schon weit ins Gebirge vorgedrungen. Gleich neben der Straße am Berghang erkenne ich eine Tafel auf der steht „Dar Isselday Guesthouse“. Mohamed hat unsere Ankunft bereits angekündigt und alles arrangiert. Der Hausherr kommt uns entgegen und begrüßt uns herzlich, und wenig später sitzen wir zusammen bei einem köstlichen, marokkanischen Abendessen. Als Vorspeise gibt es Melanzzanisalat, danach eine köstliche Tajine mit Couscous und zum Abschluss wird noch Minztee und ein frischgebackener Kuchen vom Feinsten serviert und wie immer gibt es Früchte.Ich fühle mich wie eine Prinzessin. Nach dem Essen haben sich die Männer jede Menge zu erzählen und ich habe das Gefühl, ich ziehe mich jetzt besser zurück. Als ich an der Küche vorbeikomme , sehe ich einige Frauen zusammen um einen kleinen Tisch sitzen. Auch hier wird gegessen, gescherzt und gelacht. Ich geselle mich zu ihnen, sie nehmen mich herzlich in ihrer Runde auf. Da sind 3 Generationen versammelt :die Großmutter, die Mutter 2 Töchter und die Schwiegertochter. Wir sprechen nicht die gleiche Sprache, und dennoch können wir uns verständigen. Ein schönes Gefühl! Nachdem wir einige Fotos gemacht haben, und sie mich in ihre Kochkünste ein bisschen eingeführt haben, ziehe ich mich glücklich auf mein Zimmer zurück und lasse noch dankbar den Tag Revue passieren. Das war ein langer Tag und wunderschön!